History

Drei Buchstaben. Gib mir ein F, ein K, ein T und ich renne los wie ein Irrer, denn eine Fastest Known Time ist mehr als nur eine Bestzeit auf irgendeiner Strecke nachzulaufen. Ein Bericht über Routenrekorde die das gewisse Etwas mit sich bringen müssen.

Text: Benni Bublak, Foto: Buzz Burrell

Nur einen Strohhalm und eine Kreditkarte bei sich tragend, fuhr Buzz per Anhalter 80 Meilen von seinem Wohnort Boulder fort, um anschließend diese Distanz in zwei Tagen auf abgelegenen Trails zurückzulaufen. Es waren die späten 90er, und leichte Laufwesten gab es noch nicht. Aus Bächen und Lachen mit dem Strohhalm trinkend und mit der Kreditkarte das Nötigste besorgend, war Buzz dennoch unterwegs, wie er es bevorzugte: schnell und leicht. „Credit Card Adventure“ taufte er diese Art der Unternehmung. So zumindest lautet eine der vielen wilden Geschichten, die es über Buzz Burrell zu erzählen gibt. In der Trailrunning-Szene ist der inzwischen 66-jährige US-Amerikaner nicht nur wegen seines Sinns für außergewöhnliche Abenteuer bekannt, sondern auch als Brandmanager für Ultimate Direction und Co-Gründer der Webseite www.fastestknowntime.com. Im Jahr 2000 lief er mit seinem Freund Peter Bakwin einen neuen Rekord auf dem John Muir Trail. Der Begriff Fastest Known Time wurde von den beiden danach erstmals verwendet. Fest etabliert und bekannt wurde der Term durch die Webseite, die die beiden Freunde bald darauf ins Leben riefen – ein weltweites Register aller FKTs.

Routenrekorde gibt es schon lange. Eine der ältesten und gleichzeitig bekanntesten Routen dürfte die erstmals 1930 gelaufene Bob Graham Round im Lake District, England sein. Noch vor dem Beginn seines legendären „Summits of my Live“-Projekts lief Kilian Jornet schon prestigeträchtige Routen auf der ganzen Welt in Rekordzeit, wie zum Beispiel den GR 20 oder den Tahoe Rim Trail, und ist damit sicher einer der größten Botschafter von Fastest Known Time-Projekten. Nicht zuletzt sorgten die Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit mit einem virusbedingten Ausfall der Trailrunning-Wettkampfsaison für einen enormen Popularitätsschub von FKTs. Insbesondere die Einreichung von FKT-Strecken und -Rekorden aus Deutschland ist in den letzten Monaten auf ein Vielfaches angestiegen, weiß Peter Bawkin zu berichten. Höchste Zeit, dass wir uns diesem Thema erstmals breit und ausführlich widmen: Was ist eine FKT? Wo sind die Grenzen dieses Formats? Was macht ihre Attraktivität aus? Welche Rolle und Relevanz wird diese Do-It-Yourself-Bewegung des Trailrunnings neben den klassischen und offiziellen Rennformaten in Zukunft einnehmen?

Eine kleine Regelkunde: Im Grunde ist eine FKT nichts anderes als ein Speedrekord auf vorgegebener Strecke. Peter und Buzz unterscheiden auf fastestknowntime.com zwischen verschiedenen Möglichkeiten, wie eine FKT erzielt werden kann: supported, self-supported oder unsupported. Ersteres bedeutet, es gibt eine Crew oder zumindest eine Person, die den Läufer unterstützt, ihm beispielsweise unterwegs Wasser reicht. Self-supported heißt, dass während des Laufs Flüssigkeit oder Nahrung aufgenommen wird, sei es durch vorher deponierte Drop Bags, Einkaufen im Supermarkt oder Sonstiges. Selbst das „Betteln nach Wasser“ gilt als self-supported. Unsupported ist ein Läufer nur, wenn er alles, was er unterwegs benötigt, von Anfang bis Ende bei sich trägt, abgesehen von Wasser aus natürlichen Quellen (öffentliche Brunnen zählen dazu). Eine supported FKT muss schneller sein als Zeiten, die self-supported oder unsupported erzielt wurden, und eine self-supported FKT schneller als eine unsupported-Bestzeit. Während die Art und Weise, wie ein FKT erzielt wird, damit klar definiert wäre, ist die wichtige aber schwierige Frage, was eine Route als FKT qualifiziert, weniger stringent festgelegt.

Unter den FKT Guidelines findet man dazu folgendes Credo: „Eine FKT-Route sollte eigenständig und bedeutend genug sein, um das Interesse anderer Läufer zu wecken, diese zu wiederholen.“ Noch einmal explizit nachgefragt, formuliert es Peter Bakwin emotionaler: „FKTs sind wie Kunst. Du weißt es, wenn du es siehst.“ Abenteurer Buzz Burrell fügt hinzu: „Es ist nicht möglich eine gute Route anhand von Zahlen zu definieren. Aber attraktiv sollte sie sein. Wenn dich ein Freund von weit her besucht, sollte dies die Route sein, die du ihm zeigst.“ Formulierungen, die viel Spielraum für Interpretationen lassen, aber dennoch umreißen, auf welche Attribute es ankommt: Geltung, Abenteuer, Originalität und nicht zuletzt die Akzeptanz der Community. Ein Lauf vom eigenen Wohnort zur Geburtsstadt oder vom Wohnort zum höchsten Berg der Umgebung mag daher eine ganz individuelle Note haben und ein tolles persönliches Projekt abgeben, lässt aber, um sich FKT nennen zu dürfen, an Eigenständigkeit vermissen. Historisch gewachsene und ausgewiesene Weitwanderwege (Pacific Crest Trail, GR20, Malerweg und Co.) eignen sich hingegen hervorragend für FKTs, genauso wie Routen, die sich durch geologische Gebilde wie Seen, Berge und Canyons definieren (Matterhorn-Gipfel, Rim2Rim2Rim, Königssee-Umrundung).

Zugegeben: Wege, die um Seen herum führen, mag es einige geben. Eindeutigkeit ist daher eine weitere Eigenschaft, die eine FKT-Route ausmacht. Prominent in Szene gesetzt durch einen bekannten Brausehersteller wurde vor zwei Jahren der vermeintliche FKT von Ryan Sandes und Ryno Griesel auf dem Great Himalayan Trail, welcher Nepal und den Himalaja auf einer Route von Ost nach West durchquert. Das Problem: Die beiden Südafrikaner waren zwar deutlich schneller als alle anderen zuvor, wählten aber auch eine stark modifizierte Route, die erheblich niedriger verlief und technisch einfacher war als der Weg der vorherigen Aspirant*innen. Auf einer Route wie dem GHT, die auf einer Distanz von über 1.500 km unzählige Variationen und verschiedene Wegführungen aufweist und daher keine Vergleichbarkeit zulässt, macht die Postulierung einer FKT daher keinen Sinn.

Was dieses Beispiel noch zeigt: Das Format FKT ist angekommen in der kommerziellen Welt von Sponsoren- und Marketinginteressen. Gerade in Zeiten, in denen es keine Wettkämpfe gibt, wird die Relevanz von FKT-Projekten steigen – für Sponsoren und damit auch für Athleten, die ihr Salär von eben diesen beziehen. Eine Thematik, die im Angesicht dessen an Bedeutung gewinnt, ist die korrekte Dokumentation der Rekordversuche, um Betrugsanschuldigungen schon im Keim zu ersticken. Prominentestes Beispiel ist Kilian Jornet, dessen Everest-Rekord aufgrund fehlender Gipfelfotos und fehlerhaften GPS-Tracks von nicht wenigen infrage gestellt wurde. Ein Glück, ist im Jahr 2020 und jenseits von 8.000 m Seehöhe die Dokumentation einer zurückgelegten Strecke mittels GPS-Uhr kein Problem mehr. Bei der Bob Graham Round war und ist es üblich mit Pacern zu laufen. Supported, um in der FKT-Sprache zu bleiben. Auch damit jene die korrekte Absolvierung der Route bezeugen konnten. Heute entledigt uns die Technik dieser Notwendigkeit und macht einen FKT Attempt damit überprüfbar, aber auch ohne größeren Aufwand zugänglich für jede*n motivierte*n Läufer*in.

Vielleicht ist es gerade diese Eigenschaft, die das Konzept FKT so besonders macht. Dieser egalitäre Zugang: kein Startgeld, keine Pflichtausrüstung, die Möglichkeit zur selbst gewählten Zeit zu starten und ja auch die Option unbeobachtet versagen zu dürfen, einfach abzubrechen, an der GPS-Uhr auf löschen zu drücken und an einem anderen, besseren Tag wiederzukommen. Manch einer mag vielleicht einwenden: „FKT? Solange nur die schnellste Zeit zählt, ist das doch nur was für die Elite, für die ganz schnellen Läufer.“ Der Autor dieser Zeilen hat etwas anderes erlebt. Auf der Monatsstrecke Mai der FKT Austria Serie sind 61 Zeiten eingetragen. Darunter auch einige Topläufer, die sehr schnelle Zeiten aufstellten. Größtenteils aber war es die breite Tiroler Trailrunning Community, die sich erfreute am Vergleich der eigenen Zeit mit denen der Allerschnellsten, vor allem aber auch an einer sehr anspruchsvollen und wunderschönen Strecke rund um das Bettelwurf-Massiv im einsamen Karwendel. Eine Route, die in dieser Form mit Sicherheit niemals für ein offizielles Rennen zugelassen worden wäre. Nein, FKTs werden klassische Rennen nicht ersetzen können, nicht dieses Gefühl vermitteln vom direkten Zweikampf Läufer*in gegen Läufer*in oder vom Endorphinschub, den man bekommt, wenn man in Chamonix am Start des UTMB® steht. Ein anderes, frisches und aufregendes Gesicht des facettenreichen Sports Trailrunning ist das FKT-Format aber allemal.

Auf dem Instagram-Profil von Zach Miller konnte man kürzlich ein Bild bestaunen. Der sympathische The-North-Face-Athlet hockte sichtlich erschöpft vor einem Informationsschild, das von zwei zerbeulten Mülltonnen flankiert wird. Im Hintergrund eine graue Mauer und ein Strommast. Liest man den Text unter dem Bild erfährt man, dass er gerade eine Fastest Known Time auf dem Conestoga Trail gelaufen ist. Eine ihm sehr vertraute Route. Das offensichtlich per Selbstauslöser aufgenommene Bild versprüht eine karge Grundstimmung. Niemand ist da. Kein Zielbogen, kein Fame, kein Glanz. Und doch ist es irgendwie schön. Schön authentisch. FKT ist ein bisschen wie dieses Bild von Zach Miller: kein Filter, schmucklos und einsam, aber viele Likes.